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Hintergründe Ernährungsphysiologie

 


Kaninchen besitzen wie die Nagetiere ständig wachsende Schneide- und Backenzähne. Sie wachsen im Unterkiefer etwas schneller als im Oberkiefer, bei beiden ca. 1-2mm pro Woche.  Zudem besitzen Kaninchen ein zweites stiftartiges, kleines Schneidezahnpaar im Oberkiefer direkt hinter den optisch sichtbaren Schneidezähnen. Eine ausreichende Zahnabnutzung ist nur durch eine sehr rohfaserreiche Fütterung gewährleistet, die ein intensives Mahlen der Backenzähne notwendig macht und auf diese Weise eine Ausbildung überlanger Zähne und unphysiologischer Zahnspitzen verhindert.   


Kaninchen sind Pflanzenfresser. Ihr Magen besitzt eine dünne Magenwand, wodurch eine retrograde Entleerung in Form von Erbrechen nicht möglich ist. Das einmal aufgenommene Futter muss den Verdauungskanal passieren. Da ein Weitertransport des Mageninhaltes nur durch erneute Futteraufnahme und einen Nachschub mit Futter möglich ist (sogenannter Stopfmagen), nehmen Kaninchen physiologischerweise bis zu 100 kleine Mahlzeiten am Tag auf. Daher sollte Heu immer zur Verfügung stehen und auch Frischfutter in ausreichend kleinen Portionen über den Tag verteilt werden, um eine zu große Futteraufnahme mit einer Mahlzeit zu verhindern.


Der Kaninchendarm umfasst eine Gesamtlänge von etwa 3,5 Meter, wovon 2/3 auf den Dünndarm und 1/3 auf den Dickdarm mit einem sehr großen Blinddarm entfallen. Kaninchen besitzen somit ein sehr stark entwickeltes Dickdarmsystem, welches speziell auf die Verdauung von Rohfaser ausgelegt ist. Die Besonderheit liegt in den zwei Kotphasen des Kaninchens: weniger wertvolles Substrat (grobe verholzte Strukturen) wird schnell eliminiert („Hartkot“), wertvolleres Substrat passiert wiederholt (durch Caecotrophie/ „Weichkot“) den Verdauungstrakt. Diese sogenannte Caecotrophe (Blinddarmkot) ähnelt in ihrem Aussehen kleinen, glänzenden, mit Schleim überzogenen Träubchen und besitzt einen hohen Eiweiß- und B-Vitamingehalt, welche essenziell für das Kaninchen sind. Der Blinddarmkot wird normalerweise direkt am After vom Kaninchen aufgenommen und passiert den Magen-Darmtrakt anschließend erneut. Auf diese Weise sind die Tiere in der Lage, aus zellulosereichen und eher nährstoffarmen Futtermitteln, alle für sie essenziellen Nährstoffe selbst zu synthetisieren.


Durch falsche, stärke- und zuckerhaltige und zugleich rohfaserarme Fütterung kann es zudem zu einer Änderung des pH-Wertes im Kaninchendarm kommen, welcher phyiologischerweise im alkalischen Bereich von 8-9 liegen sollte und bei einer Abweichung in den sauren Bereich  zu einem Absterben der physiologischen Bakterienflora führt. Dies kann wiederum Durchfälle  und schwerwiegende Vedauungsprobleme bedingen. Unerwünschte Darmparasiten und Hefepilze können sich im Darm ansiedeln, welche das Abwehrsystem der Kaninchen schädigen und schwere Allgemeinerkrankungen hervorrufen können.


Aufgrund des engen pH-Wertes im Darm der Kaninchen sollten Futterumstellungen niemals plötzlich vorgenommen werden, da die Bakterienflora bei strukturierter Fütterung mit Frischfutter eine andere ist als bei stärkereicher Fütterung und etwas Zeit braucht, sich auf die Aufspaltung der neuen Nahrung einzustellen.
 Zucker- und stärkehaltige Futtermittel wie Trockenfutter, Leckerchen und ähnliche führen außerdem zu starkem Übergewicht der Kaninchen, was sich ebenfalls negativ auf das Allgemeinbefinden sowie das Herz-Kreislaufsystem auswirkt. In Fällen starker Verfettung ist es den Kaninchen durch die üppigen Fettdepots oft nicht mehr möglich sich ausreichend zu putzen und die für die Verdauung und ausreichende Nährstoffversorgung essenzielle Caecotrophe vom After aufzunehmen. Schließlich entsteht ein „Teufelskreis“, angefangen von der falschen Fütterung, welche zu Übergewicht und Zahnproblemen bis hin zum Umkippen der physiologischen Darmflora mit schweren Allgemein- und Verdauungsproblemen führt, was meist in teuren Tierarztbesuchen endet. 
Daher sollte sich jeder Kaninchenbesitzer darüber im Klaren sein, dass die üblichen im Zoofachhandel erhältlichen stärke- und zuckerhaltigen Trockenfutter und Alleinfuttermittel nichts im Futternapf des Kaninchens verloren haben, sondern die Tiere stattdessen für ein gutes Wohlbefinden und zur Aufrechterhaltung der Gesundheit ausschließlich strukturierte Rohfaser in Form von gutem Heu sowie geeignetem Frischfutter, Gras und Kräutern benötigen.
   

 

 

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