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Zahnerkrankungen

Welche Symptome meines Kaninchens geben mir Hinweise auf Zahnprobleme?

 

  • keine oder geringere Futteraufnahme bzw. wechselhafte FutteraufnFehlstellungahme über längere Zeit
  • plötzliche Nahrungsverweigerung
  • verändertes Fressverhalten: Das Kaninchen frisst langsamer oder frisst nur bestimmte Futtersorten bzw. verschmäht solche, welche früher gerne gefressen wurden
  • Gewichtsabnahme
  • häufiges Zähneknirschen
  • Unförmige Kotballen, weniger Kotballen oder Durchfall
  • Schwellung an Kopf oder Kiefer, Asymmetrien des Kopfes
  • Herausstehen eines oder sogar beider Augen aus der Augenhöhle (Exophthalmus)
  • Tränende Augen
  • Eitriger Augen/Nasenausfluss
  • Das Kaninchen putzt sich nicht richtig, das Fell sieht struppig, verfilzt und ungepflegt aus
  • Das Tier verhält sich bei Streicheln des Kopfes aggressiv oder zeigt Abwehrbereitschaft, obwohl es den Kontakt zum Besitzer sonst mochte

Zum Teil ist trotz bestehenden Zahnproblems keines dieser Symptome deutlich oder überhaupt vorhanden, da Kaninchen als Beutetiere eine vorliegende Erkrankung oft möglichst lange zu verstecken versuchen. Dennoch sollte eine regelmäßige und ausführliche Kontrolle der Zähne beim Tierarzt erfolgen.
 

Anatomie der Kaninchenzähne


Kaninchen besitzen im Oberkiefer auf jeder Seite 2 Incisivi (Schneidezähne). Einer dieser Schneidezähne befindet sich als stiftartiger, kleiner Schneidezahn direkt hinter den optisch sichtbaren Schneidezähnen und wird daher auch als „Stiftzahn“ bezeichnet. Hinzu kommen insgesamt 6 Backenzähne beidseits im Oberkiefer, welche gemeinsam eine funktionelle Einheit bilden und als Mahlzähne dienen.
Im Unterkiefer besitzen Kaninchen nur einen Schneidezahn auf jeder Seite sowie beidseits 5 Backenzähne, welche ebenfalls für die Zermahlung des Futters zuständig sind. Die natürlichen Futtermittel des Kaninchens wie Gräser, Kräuter und Zweige werden mit den Schneidezähnen in kleinere Stücke zertrennt und im Anschluss mit den Backenzähnen zermahlen, wodurch ein permanenter Abrieb entsteht. 
Kaninchenzähne sind wurzeloffene Zähne und wachsen daher ein Leben lang. Das Wachstum ist im Unterkiefer etwas schneller als im Oberkiefer, bei beiden aber etwa 1-2mm pro Woche. Allerdings können Kaninchen ihr Zahnwachstum nicht willentlich beeinflussen, das heißt die Zähne wachsen immer, egal wie groß oder klein der Abrieb ist. Daher ist es wichtig, dass der Abrieb der Zähne zu deren Wachstum passt, sonst werden sie schnell zu lang. Die richtige Ernährung trägt eine ganz entscheidende Rolle für die Gesunderhaltung der Zähne bei. Eine ausreichende Zahnabnutzung ist nur durch eine sehr rohfaserreiche Fütterung gewährleistet, die ein intensives Mahlen der Backenzähne notwendig macht und auf diese Weise eine Ausbildung überlanger Zähne und unphysiologischer Zahnspitzen verhindert.

 

Mögliche Ursachen für Zahnerkrankungen

Die häufigste Ursache für Zahnerkrankungen sind Fehlstellungen der Schneide- oder Backenzähne. Als Folge erfolgt der Abrieb nur noch unvollständig und es können Kanten und Spitzen an den Backenzähnen entstehen, welche die Maulschleimhäute verletzen und im schlimmsten Falle sogar in diese einwachsen. Durch die aus den Fehlstellungen resultierenden, sich ändernden Druckverhältnisse können die Zähne sich in ihren Alveolen lockern, sodass das Eindringen von Keimen und daraus entstehenden Infektionen begünstigt wird.
Eine Fehlstellung der Backenzähne wird oftmals erst dann festgestellt, wenn diese schon sehr weit fortgeschritten ist, weshalb regelmäßige Zahnkontrollen unbedingt erforderlich sind. Oft wird sie auch erst dann bemerkt, wenn die Schneidezähne zu lang sind und häufig nicht mit den Backenzähnen in Verbindung gebracht, sondern als „angeborene Fehlstellung“ bezeichnet.
Solche angeborenen oder genetisch bedingten Fehlstellungen sind jedoch nur zu etwa 30% Ursache einer Fehlstellung der Schneidezähne. Vor allem die Zucht von Zwergen mit kurzen runden Köpfen, bei welchen der Oberkiefer zu kurz ist und daher eine optimale Winkelung zwischen den Zähnen nicht gegeben ist, wirkt begünstigend für derartige genetische Fehlstellungen, welche in der Regel innerhalb des ersten Lebensjahres festgestellt werden können.
Zu 70% ist eine Fehlstellung der Schneidezähne jedoch sekundär bedingt, das heißt sie entsteht erst aufgrund eines Problems der Backenzähne. Hauptursache ist eine falsche Fütterung, wenn zum Beispiel kein Heu oder anstatt von Heu Pellets gefüttert werden, sodass mit den Zähnen nicht mehr geschnitten und zermahlen werden muss, sondern nur noch aufgenommen und zerdrückt wird.
Daher sind lange Schneidezähne meist nur ein Resultat von Backenzahnproblemen und ein reines Kürzen der Schneidezähne beseitigt die eigentliche Ursache nicht. Wird ein oder mehrere Backenzahn/zähne zu lang entsteht dadurch eine Hebelwirkung im Gebiss, sodass die vorderen Schneidezähne keinen Kontakt mehr zueinander haben, sich folglich nicht abreiben können und dadurch zu lang werden. 
Des Weiteren können Zahnerkrankungen oder Fehlstellungen auch durch ein Trauma entstehen. Beim in Käfighaltung oft vorkommendem „Gitternagen“ werden die Schneidezähne mit der Zeit durch die ständige Rüttelbewegung aus ihrer Verankerung gelockert. Zudem können die Schneidezähen durch Stürze oder unsachgemäßen Umgang mit den Kaninchen oder bei einem Umfall abbrechen oder geschädigt werden.
Prinzipiell können alle Erkrankungen, welche mit einer Rücknahme der Futteraufnahme bzw. einer Inappatenz einhergehen, zu einem verminderten Zahnabrieb und Überwachstum der Zähne führen.
 

Diagnostik

Der Tierarzt sollte bei Vorstellung des Kaninchens nach einer ausführlichen Anamnese zunächst dessen Kieferknochen abtasten und anschließend die Maulhöhle gründlich inspizieren, was in der Regel mit einem Otoskop erfolgt und gut durchführbar ist. Dabei wird vor allem auf die Stellung und Winkelung der Zähne zueinander geachtet, auf Fehlstellungen, Überlängen oder mögliche Spitzen- oder Kantenbildung. Auch wird der Tierarzt Verletzungen und Entzündungen der Schleimhäute feststellen können. Erhärtet sich bei dieser Untersuchung der Verdacht, dass ein Problem der Backenzähne vorliegt, so sollte das Tier dann in Narkose gelegt werden, um die Maulhöhle mithilfe eines Kiefer- oder Wangenspreizers gründlich zu untersuchen und gegebenenfalls dabei schon eine Korrektur vorzunehmen.
Bei einer Lockerung eines oder mehrerer Zähne oder wenn der Verdacht besteht, dass der Zahn bereits in den Kieferknochen eingebrochen sein könnte, müssen Röntgenaufnahmen des Kaninchenschädels in 2 Ebenen angefertigt werden. Diese sollten zudem immer bei einer Eiteransammlung in der Mundhöhle oder starkem Nasen/Augenausfluss und damit einhergehendem Verdacht auf eine Erkrankung der Backenzähne gemacht werden.
 

Behandlung

Ein Kürzen der Schneidezähne sollte ausschließlich mit einer sogenannten Trennscheibe erfolgen. Auf gar keinen Fall darf der Tierarzt mit einem Knipser, einer Zange oder sonstigen anderen Geräten an den Schneidezähnen arbeiten. Daher sollte ein „mal eben schnell die Zähne kürzen“ beim Tierarzt für den verantwortungsbewussten Tierbesitzer ein Alarmsignal sein und in keinem Falle zugelassen werden. Sprechen Sie vor einem Eingriff genau mit Ihrem Tierarzt ab, welche Korrektur er vornehmen möchte bzw. wie diese erfolgt.
Bei einer Korrektur der Zähne sind die geraden Flächen und richtigen Winkel sehr entscheidend, was sich jedoch nicht mit einer Zange, sondern nur durch ein sauberes Trennen und Schleifen erreichen lässt. Daher führen viele Tierärzte oder Kliniken eine solche „Zahnsanierung“ nur in Narkose durch, damit alle Zähne gut und sauber korrigiert werden können. Auch sind die Backenzähne besser mit den jeweiligen Geräten zu erreichen und gut zu inspizieren, wenn das Tier sich dabei ruhig verhält und wenig oder gar nicht bewegt. Prinzipiell muss dies jedoch immer individuell von Tier zu Tier entschieden werden. Gerade bei solchen Kaninchen, welche sehr häufig mit Zahnproblemen zum Tierarzt müssen, sollte das Für und Wider einer Zahnsanierung gut abgewogen werden. So wird der Tierarzt das Kaninchen ungern alle paar Wochen in Narkose legen oder auch bei kreislaufinstabilen oder älteren Tieren eher eine Zahnbehandlung ohne Narkose durchführen, was in solchem Fall und bei vorsichtigem Vorgehen durchaus zu vertreten ist. Auch bei Eingriffen, die mit keinen starken Schmerzen für das Tier verbunden sind, kann über eine Zahnkorrektur ohne Narkose nachgedacht werden.   
Eine Anwendung von Kiefer- und Wangenspreizer beim wachen Tier sollte ebenfalls nur in dringenden Notfällen durchgeführt oder nur für einen kurzen Augenblick genutzt werden. Generell ist jedoch von einer Verwendung dieser Geräte am wachen Kaninchen abzuraten, da es bei starker Abwehrreaktion oder plötzlichen schnellen Bewegungen zu Kieferbrüchen und anderen Verletzungen in der Maulhöhle kommen kann, welche dann für das Kaninchen einen letalen Ausgang nehmen können. Durch die starke Aufregung während der Nutzung dieser Geräte ist die Gefahr eines Kreislaufschocks gegeben. Auch hier gilt wie bei der Narkose: In gewissen Fällen kann der Einsatz eines Wangen- oder Kieferspreizers durchaus notwendig sein, zum Beispiel bei einer Zahnkorrektur ohne Narkose. Dies sollte dann aber nur unter großer Vorsicht und Sorgfalt erfolgen. Zum grundsätzlichen Abklären des Zahnstatus zu Beginn ist der Einsatz des Otoskops auf jeden Fall vorzuziehen, sofern der Tierarzt damit die Situation und Probleme in der Maulhöhle des Kaninchens ebenso gut einschätzen kann.

Risiken durch falsches Kürzen mit Knipser, Zange oder anderen nicht geeigneten Geräten:

Durch den Druck, welchen die Zange auf die Schneidezähne ausübt kann es zu einem Längsriss des Zahnes kommen, der sich bis zum Knochen hinunterzieht. Durch den Einsatz der Zange erfolgt ein Splittern der Zähne, da diese natürlicherweise eine Längsstruktur aufweisen. Diese sehr feine Aufsplitterung zieht sich dann bis unter das Zahnfleisch, welches damit ebenfalls verletzt wird. In Folge kann ein schmerzhafter Kieferabszess entstehen, welcher oft eine lange Behandlungsdauer nach sich zieht.Spreizer
Eine weitere Gefahr des Abknipsens der Schneidezähne stellt die Pulpitis dar, eine Entzündung des Zahnmarkes. Die Zahnpulpa wird von vielen Nervenfasern und Blutgefäßen durchzogen und wächst ebenfalls mit in die Länge, wenn der Schneidezahn zu lang ist. Daher kann die Krafteinwirkung mit einer Zange beim Kürzen zu langer Schneidezähne sehr schmerzhaft für das Kaninchen sein. Als Folge kommt es dann zu einer sich über Wochen hinziehenden und extrem schmerzhaften Entzündung im Gewebe des Zahninnenraumes mit anschließendem Zahnwurzelabszess und Verlust des Zahnes.
Zudem entstehen durch das Kürzen der Schneidezähne mittels Zange oft scharfe Zacken, welche zu schmerzhaften Verletzungen in der Maulhöhlenschleimhaut führen können. Auch kann die zuvor erwähnte richtige Winkelung der Zähne mit einer Zange niemals richtig hergestellt werden.
Das Kürzen der Backenzähne erfolgt in der Regel mit Hilfe eines sogenannten Diamantschleifers in Sedation, nur so kann ausreichend Material von den Zähnen genommen werden. Ein Kneifen mit Zange birgt durch den starken und falsch ausgeübten Druck auf die Zähne ebenfalls hohe Risiken von Frakturen der Zähne. Beim Abschleifen per Hand ist der Abrieb oft nicht groß genug, auch besteht eine Gefahr von Weichteilverletzungen vor allem im Bereich des Kieferwinkels.  

 

Fazit:
Von einer unsachgemäßen und falschen Kürzung der Schneidezähne mittels Zangen, Knipser oder ähnlichen Instrumenten sollte zwingend Abstand gehalten werden, da ein solches Prozedere mit extremen Schmerzen und Risiken für das Kaninchen verbunden ist. Eine Korrektur der Backenzähne sollte idealerweise in Narkose erfolgen prinzipiell muss dies jedoch von Fall zu Fall abgewogen werden, je nach Narkosefähigkeit des Patienten und Häufigkeit der Zahnsanierungen.

Lockere Zähne müssen während der Zahnbehandlung in Anästhesie extrahiert werden, bereits vorhandene zusätzliche Kieferabszesse sollten mit einem dafür geeigneten Antibiotikum sowie Schmerzmitteln behandelt werden. Infizierte Schleimhautverletzungen sind ebenso mit einer solchen Medikation zu versorgen.
 

Prognose für Kaninchen mit Zahnproblemen

Häufig ist bei Kaninchen, welche aufgrund einer Zahnproblematik einmal beim Tierarzt vorstellig wurden, damit zu rechnen, dass die Zahnprobleme in regelmäßigen Abständen wiederkehren. Gerade bei erblich bedingten Zahnfehlstellungen sind häufige Kontrolluntersuchungen notwendig. Das Fressverhalten der Tiere sollte immer aufmerksam beobachtet werden. Durch eine artgerechte Fütterung mit hohem Rohfaseranteil können die Intervalle zwischen den Zahnkorrekturen hingegen oft verlängert werden.

 

Vorbeugen ist besser als Feilen!

Die Zähne eines Kaninchens sind darauf ausgelegt, strukturreiche und rohfaserreiche Kost wie Heu, Gräser, Kräuter und Blätter zu zerkauen. Die regelmäßige Abnutzung der Zähne steht wie anfangs erwähnt in einem Gleichgewicht zum dauerhaften Zahnwachstum. Wird dieses Gleichgewicht durch falsches Futter (Trockenfutter, Trockenobst, Pellets, etc.), welches nicht lange und ausreichend genug gekaut wird, gestört, werden die Zähne nicht ausreichend abgenutzt. Daraus folgen überlange Zähne, Spitzen und Kanten, welche in Zunge und Zahnfleisch sehr schmerzhafte Entzündungen hervorrufen können.
Hartes Brot oder Knabberstangen aus dem Handel dienen nicht dem Zahnabrieb und gehören keineswegs auf den Speiseplan des Kaninchens. Ebenso hat neben herkömmlichem Trockenfutter auch getreidefreies Futter nichts im Napf des Kaninchens verloren, da das darin enthaltene Trockenobst/gemüse sowie die Form des Futters zu Pellets gepresst keinen genügenden Zahnabrieb gewährleistet, die Tiere schnell satt sind und folglich weniger strukturiertes, rohfaserreiches Futter wie Heu aufgenommen wird. Das Heu selbst sollte lange und verschiedene Halme enthalten, frischen Heuduft sowie grüne Farbe und keinen muffigen Geruch oder eine graue Verfärbung aufweisen. Heu aus dem Zoofachgeschäft ist daher oft nicht geeignet zur guten Abnutzung der Kaninchenzähne. Wir empfehlen besser auf gutes Heu vom Bauern oder entsprechenden darauf spezialisierten Läden im Internet zurückzugreifen.
Zur Abnutzung der Schneidezähne eignen sich gut frische, ungespritzte Zweige von Obstbäumen, Buchen, Weiden oder Haselnuss. Diese sollten als Nagematerial möglichst immer zur Verfügung stehen.
Weitere wichtige Hinweise zur richtigen Fütterung des Kaninchens sind den entsprechenden Informationstexten zur Kaninchenernährung auf unserer Homepage zu entnehmen.